Exkursionsberichte der Projektgruppen
Besuch der Moses Mendelssohn Akademie (MMA) und des Berend Lehmann Museums in Halberstadt
am 12. Oktober 2022 (Wintersemester 2022/23)
Unsere erste Exkursion als semesterübergreifendes Projekt (SÜP) zum Thema „Strategien zur Sensibilisierung von Mitarbeiter*innen der Öffentlichen Verwaltung für Jüdisches Leben und die Bekämpfung von Antisemitismus in Sachsen-Anhalt“ führte uns am 12. Oktober 2022 in die Moses Mendelsohn Akademie (MMA). Diese in Halberstadt gelegene Akademie wurde 1995 auf Initiative der damals hier lebenden Familie Nussbaum gegründet. Ziel der Verantwortlichen ist es, den Besucherinnen und Besuchern Grundlagen über den jüdischen Glauben sowie dessen Geschichte und Kultur zu vermitteln. Die MMA fungiert überdies als Projektpartner unseres SÜPs. Aus diesem Grund war es für uns Studierende zunächst wichtig, die MMA als Institution näher kennenzulernen. Hierfür wurde uns die Akademie von der Vorständin Frau Jutta Dick näher vorgestellt und anschließend gab es in einer Gesprächsrunde die Möglichkeit, erste Fragen zu stellen. In der „Klaussynagoge“, dem ehemaligen Rabbinerseminar, wurden uns zudem erste praktische Einblicke in die jüdische Kultur und das jüdische Leben in Halberstadt geboten. Hierbei wurde besonders auf die Art der Durchführung von Gottesdiensten, die Rolle von Männern und Frauen vor dem Hintergrund der orthodoxen Auslegung innerhalb der Glaubensgemeinschaft sowie die Synagoge als Ort des Wissens und Lernens eingegangen.
Ein weiterer Bestandteil der MMA ist das Berend Lehmann Museum für jüdische Geschichte und Kultur. Dieses ist in historischen Gebäuden der ehemaligen jüdischen Gemeinde zu finden. Hier bekamen wir Studierenden eine ausführliche Führung von Frau Dick, in welcher der Hintergrund der einzelnen Ausstellungsstücke näher erläutert wurde. Zudem steckte hinter vielen der Stücke eine persönliche, interessante Geschichte, welche das Gesehene noch greifbarer machte. Inhaltlich erstreckte sich die Führung über verschiedenste Themen, wie die Geschichte der Halberstädter Jüdinnen und Juden, die Art und Dauer des Verfassens einer Torarolle, die Essensvorschriften und -regeln im jüdischen Glauben oder die verschiedenen Feiertage. Ebenso mussten aber auch die Schattenseiten in Form des Antisemitismus sowie der Vernichtung und Zerstörung durch die Nationalsozialisten beleuchtet werden. Nach der Führung hatten wir noch die Möglichkeit, uns im Museum eigenständig umzuschauen, um das bisher Gehörte und Gesehene zu vertiefen. Besonders beeindruckend war hier die genauere Besichtigung der in einigen Teilen erhaltene Mikwe, durch welche die Auslebung der jüdischen Kultur noch sichtbarer wurde.
Insgesamt bot die Exkursion in die Moses Mendelssohn Akademie in Verbindung mit dem Besuch des Berend Lehmann Museums die Gelegenheit, erste praktische Einblicke in das jüdische Leben in Halberstadt und die Geschichte und Kultur der Jüdinnen und Juden im Generellen zu sammeln. Durch die Ausführungen unserer Kooperationspartnerin Frau Dick bekamen wir nicht nur die Möglichkeit, uns intensiveres und tiefgreifenderes Wissen anzueignen, sondern auch die MMA als Projektpartner besser kennenzulernen. Auch unsere Gruppe konnte dabei viel aus dieser Exkursion mitnehmen:
• Philip Olexy: „Besonders interessant war aus meiner Sicht die Darstellung der Geschichte der Jüdinnen und Juden in Halberstadt. Ich hätte nicht gedacht, dass die jüdische Gemeinde hier früher eine der bedeutendsten und einflussreichsten Gemeinden war.“
• Lysann Schmidt: „Ich war sehr überrascht, dass einige Teile der Mikwe noch so gut erhalten waren. Dadurch konnte ich diesen Bereich des Glaubensalltags für die Jüdinnen und Juden viel besser nachvollziehen.“
• Cederic Tomanik: „Für mich war vor allem der Prozess des Verfassens der Tora beeindruckend. Dass dies über ein Jahr dauert, hätte ich nicht gedacht.“
• Josefine Kral: „Neu war für mich, dass die Gottesdienste für Männer und Frauen, gerade im orthodoxen Judentum, räumlich getrennt stattfinden. Neben diesen Regeln konnte ich auch viel über die Essensvorschriften im jüdischen Glauben lernen.“
• Aaron Birth: „Nach meiner Auffassung besonders beeindruckend war die Information, dass trotz der geringen Größe der Stadt zwischenzeitlich über 1.000 jüdische Menschen in Halberstadt lebten. Als sehr erschreckend empfand ich, dass die jüdischen Gemeinde während der Zeit des Nationalsozialismus den Abbau ihrer eigenen Synagoge nicht nur hinnehmen, sondern auch noch selbst finanzieren musste.“
Exkursion in die Synagoge Halle (Saale)
am 14. Dezember 2022 (Wintersemester 2022/23)
Mit dem Besuch der Synagoge in Halle (Saale) stand im Dezember 2022 die nächste Exkursion innerhalb des Wintersemesters 2022/23 an. Diese ist das Gotteshaus der über 500 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde in Halle. Vor Ort sammelte sich unsere Projektgruppe zunächst vor dem Gelände der Synagoge, bevor wir kurze Zeit später von Mitgliedern der dortigen jüdischen Gemeinde eingelassen wurden. Ein eigenständiges Betreten der Synagoge ist aufgrund der Ereignisse verständlicherweise nicht mehr möglich. Der Anschlag auf die Synagoge im Jahr 2019 beeinflusst noch immer das Leben der dortigen Jüdinnen und Juden. Für uns Studierende wurde dies sofort deutlich, als wir den Vorhof der Synagoge betraten. Dort stand die Tür, durch welche der Attentäter am 09. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versuchte, mit Waffengewalt in die Synagoge einzudringen. Dort begann die Führung mit einem Bericht über jenen Tag und dem Gedenken an die Opfer dieses Attentats. Danach betraten wir die Synagoge, in welcher uns von einem Mitglied der Gemeinde vom Alltag der Jüdinnen und Juden, dem Ablauf eines Gottesdienstes sowie verschiedenen Regeln und Gebräuchen berichtet wurde. Dazu zählte, wie ein Gottesdienst abläuft, wer zu welchem Zeitpunkt die Tora lesen darf und wie ein Gebetsriemen richtig angelegt wird. Nach dem Vortrag bekamen wir die Möglichkeit, uns selbstständig in der Synagoge umzuschauen. Danach besichtigten wir noch den jüdischen Friedhof hinter der Synagoge.
• Philip Olexy: „Es war sehr interessant, einen Einblick in eine aktive jüdische Gemeinde sowie den Alltag einzelner Mitglieder zu erhalten.“
• Lysann Schmidt: „Von dem Attentat zu hören und zu lesen ist nochmal eine ganz andere Sache, als wenn man selbst am Ort des Geschehens steht und sich der Schrecken dieses Anschlags bewusst wird.“
• Cederic Tomanik: „Die Vermittlung der unterschiedlichen Glaubenspraktiken hat mir geholfen, verschiedene Bestandteile innerhalb des jüdischen Glaubens besser nachzuvollziehen.“
• Josefine Kral: „Der Bericht aus der Perspektive eines Gemeindemitglieds über den Anschlag im Oktober 2019 hat mich sehr bewegt.“
• Aaron Birth: „Die Schilderungen der Gemeindemitglieder zeigen, wie wichtig es auch für Ordnungsbehörden und andere Stellen ist, sich über zentrale Punkte im jüdischen Glauben im Klaren zu sein, dass zukünftig, u.a. an wichtigen Feiertagen wie Jom Kippur, besonders dafür sensibilisiert werden kann.“
Besuch der Gedenkstätte ROTER OCHSE in Halle (Saale)
am 14. Dezember 2022 (Wintersemester 2022/23)
Nachdem wir am Vormittag die Synagoge in Halle besuchten, ging es für unsere Projektgruppe am Nachmittag in die Gedenkstätte ROTER OCHSE, welche sich den Opfern politischer Justiz widmet. Die Dauerausstellung ist dabei in zwei zeitliche Bereiche untergliedert. Zum einen kann sich über den Zeitraum 1933 bis 1945 und zum anderen über die Jahre 1945 bis 1989 informiert werden. Wir hatten das Glück, unter Herrn Michael Viebig, dem Leiter der Gedenkstätte, eine Führung erhalten zu können. Dieser gab zunächst einen Überblick über die Geschichte der heutigen Justizvollzugsanstalt, welche bereits seit 1842 als Strafanstalt fungiert und von Preußen, den Nationalsozialisten und später den Sowjets sowie der DDR genutzt wurde. Im Zuge der Führung bekamen wir ebenfalls den ehemaligen Innenhof für die Gefangenen sowie die Hinrichtungsstätte zu sehen. Überdies erzählte Herr Viebig immer wieder von Einzelschicksalen von Häftlingen oder persönlichen Geschichten der Angehörigen und gab an, dass man nach und nach versuchen würde, weitere Teile der Geschichte des Ortes und der damit verbundenen Personen zu rekonstruieren. Dadurch hatten einige Ausstellungsstücke eine ganz andere Wirkung und gestalteten die Führung umso intensiver und zeigten die Folgen für die Opfer politischer Willkür auf eine erschreckende Art und Weise auf. Zum Schluss der Führung hielt Herr Viebig noch einen Vortrag, in welchem er auf die Nutzung der verschiedenen Gebäudeteile sowie einzelne Zeiträume innerhalb der Geschichte des „Roten Ochsen“ einging. Danach hatten die Studierenden noch die Möglichkeit, verschiedene Fragen zu stellen. Auch aus dem Besuch dieses Gedenkortes konnte unsere Projektgruppe wieder viele Erkenntnisse gewinnen.
• Philip Olexy: „Mir ist vor allem die Hinrichtungsstätte in Erinnerung geblieben. Anhand der Erklärungen von Herrn Viebig wurde die politische Willkür und die Gleichgültigkeit einiger Personengruppen besonders deutlich.“
• Lysann Schmidt: „Gerade die Beschreibungen der Einzelschicksale verdeutlichten umso mehr, welche fatalen Entscheidungen hier getroffen wurden und welche Auswirkungen diese hatten.“
• Cederic Tomanik: „Ich finde beeindruckend, dass der ROTE OCHSE bereits seit 1842 als Strafanstalt existiert und die verschiedensten politischen Verhältnisse überdauert hat.“
• Josefine Kral: „Für mich persönlich war es erschreckend, an einem Ort zu stehen, wo so viele Menschen hingerichtet worden sind.“
• Aaron Birth: „Vor allem die verschiedenen persönlichen Geschichten halfen dabei, dass Gesehene besser nachvollziehen zu können. Bei den hohen Opferzahlen und verschiedenen Verhältnissen vergisst man oft, dass jeder Häftling als Individuum eine andere Geschichte hat.“