Leitfaden gegen Antisemitismus
Eine Informationsplattform für die Verwaltungen im Land Sachsen-Anhalt
 


Jüdisches Leben 


Jüdischer Kalender - Ein Überblick
Tischri (September-Oktober): 30 Tage
Cheschwan (Oktober-November): 29 bzw. 30 Tage
Kislew (November-Dezember): 30 bzw. 29 Tage
Tewet (Dezember-Januar): 29 Tage
Schwat (Januar-Februar): 30 Tage
Adar (Februar-März): 29 Tage, im Schaltjahr wird hier ein zweiter Adar eingefügt
Nissan (März-April): 30 Tage
Ijar (April-Mai): 29 Tage
Siwan (Mai-Juni): 30 Tage
Tammus (Juni-Juli): 29 Tage
Aw (Juli-August): 30 Tage
Elul (August-September): 29 Tage


Feiertage 

Der Schabbat = wöchentlicher Ruhetag
Der Schabbat beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend. Am siebten Tag des Schabbat darf keine Arbeit verrichtet werden. Außerdem soll eine Synagoge zum Gebet besucht werden. Für die häusliche Feier wird ein Teller mit zwei Broten gereicht, ein Becher mit Wein und Schabbatlichter werden angezündet. Die Lichter müssen am vorigen Werktag angezündet werden, da dies am Schabbat eine verbotene Tätigkeit darstellt. Das Ende des Schabbat wird durch die Zeremonie der Hawdala (Unterscheidung) begleitet. Es markiert die Trennung zwischen Feier- und Werktag, zwischen Heiligem und Profanem. Dazu werden drei Segenssprüche über Wein, Licht und Wohlgerüche gesprochen.
Traditionell besteht das Schabbat-Mahl aus mehreren Gängen. Als Vorspeise werden Salate oder Fisch serviert. Danach Fleisch oder Suppen und die Nachspeisen. Zu beachten ist hierbei, dass Fleisch und Fisch in separaten Gängen des Schabbat-Menüs auf gesondertem Geschirr mit gesondertem Besteck serviert werden.
Am Schabbat wird zum Mittagessen üblicherweise der traditionelle Schabbateintopf („Tscholent“) serviert. Dieser wird bereits am Freitag zubereitet und vor Schabbatbeginn zum Schmoren über Nacht in den Backofen oder auf den Herd gegeben. Die Zutaten für den Tscholent können von Region zu Region variieren. Bestandteile können, zum Beispiel, Bohnen, Graupen, Kartoffeln und Fleisch sein.


Rosch Haschana = Neujahrsfest
Das Neujahrsfest wird am 1. und 2. Tischri gefeiert. Es soll eine Erinnerung an den Bund zwischen Gott und Israel sein und stellt für die Israeliten eine sittliche Forderung und Verpflichtung dar.  Der Mensch soll am Neujahrsfest Rechenschaft über sein Tun ablegen und sich seinen moralischen Pflichten bewusst werden (sich vom Bösen abwenden). Bei der häuslichen Feier wird neben Kiddusch und dem Segensspruch auch ein Segen über Baumfrüchte angefügt. Dazu wird ein Apfel mit Honig bestrichen und dazu der Wunsch geäußert, dass das neue Jahr gut und süß werden möge.
An Rosch Haschana gibt es einige symbolische Speisen, wie runde Hefezöpfe, welche für den Jahreskreislauf stehen. Diese Hefezöpfe werden ebenfalls mit Honig gegessen. Neben mit Honig bestrichenen Apfelschnitzen werden auch Granatäpfel gegessen. Die vielen Kerne der Granatäpfel symbolisieren die zahlreichen religiösen Gebote des Judentums.


Jom Kippur = Versöhnungstag
Jom Kippur ist der jüdische Buß- und Bettag. Als Höhepunkt der 10 Bußtage gilt der Versöhnungstag, welcher der höchste Festtag des jüdischen Jahres ist. An diesem Tag wird das Urteil über die Menschen, welches am Tag des Gerichts (Neujahrsfest) besiegelt wurde, gefällt. Der Mensch wird entsühnt, was die göttliche Verzeihung seiner Missetaten darstellt.  Jom Kippur ist ein strenger Fasttag und ein Tag der Buße, Reue und Umkehr. Er beginnt am Abend und dauert bis zum nächsten Abend. Dabei wird weder gegessen noch getrunken und die Körperpflege ist bis auf das Benetzen der Hände und Augen mit Wasser untersagt. Am Vorabend wird Licht zum Gedenken an verstorbene Angehörige entzündet und soll für 24 Stunden brennen. Der Gottesdienst an Jom Kippur dauert den ganzen Tag.


Sukkot = Laubhüttenfest
Das Laubhüttenfest („Sukkot“) beginnt am 15. Tischri und dauert neun beziehungsweise sieben Tage. Es ist das Fest des Einsammelns und wird als Dankesfest für das Einbringen der Ernte angesehen. Sukkot erinnert an die Wüstenwanderung der Israeliten nach ihrem Auszug aus Ägypten und deren Wohnen in unfesten Hütten währenddessen. Diese erkennbare doppelte Bedeutung wird durch den Feststrauß („Lulaw“) und das Gebot, während des Festes in einer Hütte („Sukka“) zu wohnen, gefeiert. Die ersten beiden Tage sind Feiertage, während die Tage 3 bis 7 nur Halbfeiertage sind. Der 7. Tag („Hoschana rabba“) ist der Gerichtstag über das Wasser, an welchem von Gott über lebenden Regen beschlossen wird.
Spezielle Gerichte gibt es für das Laubhüttenfest nicht. Wichtig ist nur, dass das Festessen während der Feiertage in der Laubhütte gegessen wird.


Schemini Azeret (und Simchat Tora) = Schlussfest
Das Schlussfest „Schemini Azeret“ markiert den Winterbeginn. Ab diesem Zeitpunkt wird in jedem Gebet bis zum Pessachfest erwähnt, dass Gott es regnen lässt. Den zweiten Tag des Schlussfestes „Simchat Tora“ markiert das Ende des jährlichen Zyklus der Toraabschnitte und gleichzeitig den Beginn des neuen Zyklus. Es erfolgen ebenso Aufrufe zum Lesen der Tora.


Chanukka
Chanukka erinnert an den siegreichen Aufstand der Makkabäer gegen die hellenistische Herrschaft und die Wiedervereinigung des geschändeten Tempels in Jerusalem im Jahr 165 vor unserer Zeit. Es beginnt am 25. Kislew und ist ein achttägiges Tempelweihfest. Es ist überliefert, dass in entweihtem Heiligtum ein Krug mit Öl gefunden wurde, der durch ein Wunder 8 Tage statt nur einem Tag brannte. Durch dieses Wunder konnte in der Zwischenzeit neues Öl hergestellt werden. Zum Gedenken daran werden nach Einbruch der Dunkelheit Lichter angezündet. Üblicherweise wird dafür ein achtarmiger Leuchter, die Menora, verwendet. Jeden Tag wird ein weiteres Licht dieses Leuchters angezündet, sodass am achten Tag alle Lichter brennen. Während des Brennens aller Kerzen wird nicht gearbeitet.
In Erinnerung an das Ölwunder werden an Chanukka traditionell fettige Speisen, beispielsweise frittierte Kartoffelpuffer („Latkes“) oder Krapfen („Sufganiot“) gegessen.


Tu Bischwat
Tu Bischwat ist das Neujahrsfest der Bäume und findet seinen Ursprung im 3. Buch Moses 19, 23-25. Es heißt darin, dass die Früchte von neu gepflanzten Bäumen drei Jahre nicht gegessen werden sollen und sie erst im 5. Jahr zu verzehren. In talmudischer Zeit war der 15. Schwat der Stichtag für die Jahreszählung und Fruchtabgabe, da dies das Ende der Regenzeit und den Beginn der idealen Pflanzperiode in Israel markiert. Im modernen Israel pflanzen Schulkinder, Jugendliche und Erwachsene Setzlinge im ganzen Land, während außerhalb Israels Juden nach lokalen Gebräuchen feiern und zumeist Früchte essen, die an das Land Israel erinnern (beispielsweise Datteln, Rosinen, Feigen, Aprikosen und Johannisbrot).


Purim
Purim wird am 14. Adar zur Erinnerung an die Errettung der Juden in Persien gefeiert, was im Buch Esther beschrieben ist. In diesem wird vom Fasten aller jüdischen Bewohner der Stadt Susa berichtet, bevor sich Esther an den dortigen König wandte, um ihr Volk zu retten. Zur Erinnerung daran wird am Tag vor Purim ein Tag gefastet. Außerdem wird viel getrunken, gefeiert und dies häufig in Kostümierung.
Zu den traditionellen Speisen an Purim gehören Süßigkeiten und süße Teigtaschen („Osnei Haman“) gefüllt mit Mohn, Früchten oder Schokolade.


Schawuot = Wochenfest
Schawuot feiert die Gesetzgebung am Berg Sinai am 6. und 7. Siwan. Es hat eine doppelte Bedeutung, einerseits historisch und andererseits naturbezogen. In biblischer Zeit wurden im Jerusalemer Tempel zwei Weizenbrote geopfert, die aus Mehl der neuen Ernte hergestellt wurden. Es wird als „Fest der Erstlinge“ bezeichnet und hat somit einen naturbezogenen Hintergrund. Historisch gesehen steht Schawuot für die Verkündung der zehn Gebote am Berg Sinai und markiert damit das erste umfassend formulierte Sittengesetz. Auf dieser Anerkennung der Gebote durch die Israeliten beruht der Bund zwischen Gott und Volk. Das Volk wurde von Gott auserwählt, die göttliche Gebote zu befolgen und zu verbreiten, weshalb das jüdische Volk daraus eine besondere Verpflichtung ableitet. An Schawout werden größtenteils milchige Speisen wie Käsekuchen, Blinis oder mit Aufläufe mit Käse gegessen.

Des Weiteren gibt es noch das "Tikkun Leil Schawuot", welches eine Lernnacht in der ersten Nacht des Schawuot am 6. Siwan darstellt. Schawuot ist das zudem auch das Fest der Tora. „Tikkun“ kann vom hebräischen Verb „letaken“ abgeleitet werden und bedeutet reparieren oder wiederherstellen. Damit wird die Wiederherstellung des Wissens über die Tora gemeint, deren Inhalte durch gläubige Juden in der Synagoge bis zum Morgengebet studiert werden. Während dieser Lernnacht können Texte zu bestimmten Themen aufgegriffen werden. Dabei kann jede jüdische Gemeinde oder Gruppe frei entscheiden, welche Themen oder Texte gelernt werden sollen. Inhaltlich können beispielsweise Verse aus allen Wochenabschnitten (Paraschot), aus jedem Buch der Tora, dem Buch Ruth, Traktate aus Mischna (Talmud), die 613 Ge- und Verbote (Mizwot) sowie Texte der Kabbala behandelt werden. Innerhalb des Judentums wird die Teilnahme am „Tikkun Leil Schawout“ als besonderer Dienst angesehen und soll die teilnehmenden Jüdinnen und Juden vor schlechten Einflüssen schützen (Orach Chajim 494,1).


Pessach
An Pessach wird der Befreiung aus der Sklaverei und des Auszugs aus Ägypten gedacht. Pessach bedeutet übersetzt so viel wie Überschreitung und hat ebenfalls eine doppelte Bedeutung. Naturbezogen wird es mit der Ernte der Wintergerste verbunden, wohingegen historisch gesehen der Auszug der Israeliten aus Ägypten gemeint wird. Pessach wird 8 Tage lang vom 15. bis zum 22. Nissan gefeiert, innerhalb Israels bis zum 21. Nissan. Es gilt das Verbot, Gesäuertes zu genießen. Aufgrund dessen wird vor Pessach ein Frühjahrsputz durchgeführt, um noch vorhandenes Gesäuertes zu entfernen. Dabei wird nur Geschirr verwendet, was sonst nicht benutzt wird. Der Sederabend markiert den Beginn des Festes.
An den ersten beiden Abenden wird eine festliche Mahlzeit eingenommen, die nach einer festen Ordnung („Seder“) abläuft. Symbolische Speisen sind unter anderem Mazzot, Erdfrüchte, Gefäß mit Salzwasser, Bitterkraut, bräunliches Mus (aus Äpfeln, Zimt, Mandeln, Wein), Knochen mit gebratenem Fleisch und gekochtes Ei. Der Knochen mit Fleisch erinnert an Pessachopfer (Opferlamm) und wird wie das Ei nicht gegessen. Das Salzwasser, was in Erdfrüchte getaucht wird, erinnert an vergossene Tränen während der Knechtschaft der Juden, wohingegen das Mazzot als Brot der Armen gesehen wird. Das Bitterkraut erinnert an die bitteren Leiden, während das Mus an den Lehm erinnern soll, aus dem Israeliten Ziegel herstellen mussten. Wesentlicher Inhalt des Seders ist die Verlesung spezieller Texte aus der Pessach-Haggada. Dies sind Texte, die sich auf den Auszug aus Ägypten beziehen. Das Abendessen besteht aus mindestens zwei Gängen und während des Festes wird viel gesungen.


Neuzeitliche Feiertage und Gedenktage:

Jom Haschoa
Seit 1951 gedenkt man in Israel am 27. Nissan der Opfer der Schoa und der Widerstandskämpfer in den Ghettos.


Jom Ha´azma´ut
Jom Haˋázma´ut feiert den Unabhängigkeitstag des Staates Israel im Jahr 1948. Am Vortag (Jom Hasikaron) gedenkt man den gefallenen Soldaten im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 und den Opfern von Terrorismus.


Jom Jeruschalajim
Jom Jeruschalajim gedenkt der Befreiung und Wiedervereinigung Jerusalems im Zuge des Sechs-Tage-Kriegs von 1967. Nach dem israelischen Sieg über die Armeen aus Ägypten, Syrien und Jordanien wurde die geteilte Stadt Jerusalem wiedervereinigt.


Quellen:

https://www.zentralratderjuden.de/judentum/feiertage/ 

https://www.juedische-allgemeine.de/glossar/tikkun-leil-schawuot/
https://www.jmberlin.de/thema-schawuot


Jüdische Esskultur
Kaschrut –  jüdische Speisevorschriften

 

Kaschrut ist Hebräisch und bedeutet „rituelle Eignung“. Unter dem Begriff Kaschrut werden die jüdischen Speiseregeln zusammengefasst. Die aus der Thora abgeleiteten Speisevorschriften regeln die Zubereitung, Herstellung und Lagerung von Lebensmitteln. Zudem werden auch verbotene von erlaubten Speisen abgegrenzt.
Die Speisevorschriften sollen die rituelle Reinheit wie auch die Heilung der Seele bezwecken. Sie dienen außerdem der Prävention vor Krankheiten und der Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Die Speiseregeln haben überdies eine symbolische Funktion. Durch sie erfolgt eine Abgrenzung zu Menschen, die nicht jüdischen Glaubens sind. Alle Regeln der Kaschrut wurden fortlaufend erweitert und angepasst. Auch die Anwendung der Speiseregeln unterliegt dem ständigen Wandel.

Koscher

 

Der Begriff koscher ist ebenfalls hebräisch und bedeutet „rein“ oder „erlaubt“. Verzehrt werden dürfen nur Säugetiere, die Wiederkäuer sind und gespaltene Hufe haben (Rind, Lamm, Ziege etc.) und deren Produkte (Milch etc.), sowie Geflügel, sofern es sich nicht um Raubvögel handelt und Fische mit Schuppen und Flossen.

 

Verbot des gemeinsamen Verzehrs von Milch- und Fleischprodukten:
Diese Speisevorschrift stützt sich auf den Bibelvers „Koche nicht ein Böcklein in der Milch seiner Mutter“ (Ex. 23:19). Demnach muss nach dem Verzehr von Fleischgerichten (= basari) einige Stunden (je nach Brauch bis zu sechs Stunden) bis zum Verzehr von Milchprodukten (= chalawi) abgewartet werden. Nach dem Verzehr von Milchprodukten oder Milchspeisen wird jedoch nur bis zu einer Stunde bis zum Verzehr von Fleischgerichten abgewartet. Traditionell trennt man auch Geschirr und Töpfe für Milch- bzw. Fleischspeisen, wodurch dies meistens doppelt vorhanden ist. Der gleichzeitige Verzehr von Milch- und Fleischprodukten kann durch die Verwendung von Sojaprodukten als Alternative zur Milch in Milchspeisen umgangen werden.

 

Parwe

 

Bestimmte Lebensmittel gelten als „neutral“ (parwe). Diese Lebensmittel sind weder milchig, noch fleischig und können demnach mit Milch- und Fleischspeisen verzehrt werden. Als parwe gelten beispielsweise Ei, Fisch, Gemüse oder Obst.

 

Schechita

 

Nach jüdischer Auffassung wohnt die Seele eines Tieres in dessen Blut. Daher ist der Genuss von Blut für Menschen jüdischen Glaubens streng verboten. Die Tiere müssen vor dem Verzehr ihres Fleisches ausbluten. Dazu werden die Tiere geschächtet. Beim Schächten (hebräisch „Schechita“)  wird das Tier wird mit einem scharfen Schnitt durch die Luft- und Speiseröhre sowie bestimmte Nervenbahnen gleichzeitig getötet. Der Schnitt erfolgt mit einem chirurgisch scharfen und langen Messer ohne Scharten.

Quellen:

 

https://www.zentralratderjuden.de/judentum/riten-und-gebraeuche/kaschrut-die-juedischen-speisevorschriften/ 
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/juedisches-leben-in-deutschland-2021/342698/juedische-esskultur/