Leitfaden gegen Antisemitismus
Eine Informationsplattform für die Verwaltungen im Land Sachsen-Anhalt
 


Religiöse Strömungen

Drei der heute größten jüdischen Strömungen auf der Welt haben ihren Ursprung in Deutschland im 19. Jahrhundert:

  • das Reformjudentum, welches auch liberales oder progressives Judentum genannt wird,
  • das modern-orthodoxes Judentum, welches seltener auch als Neo-Orthodoxie bezeichnet sowie
  • das historisch-positive Judentum, welches heute eher als konservatives oder Masorti-Judentum bekannt ist.

 

Orthodoxes Judentum
Seit der Nachkriegszeit folgen fast alle jüdische Gemeinden in Form von Einheitsgemeinden dem orthodoxen Ritus. Einheitsgemeinden dienen der jüdischen Gemeinschaft unabhängig ihrer jeweiligen Strömung. Im Hinblick auf die Gottesdienste und der Entscheidung für einen Rabbiner oder Kantor, entscheidet sich eine Einheitsgemeinde allerdings für eine jüdische Strömung.

 

Die Mehrheit der Mitgliedgemeinden des Zentralrats der Juden in Deutschland folgen der orthodoxen Strömung. Diese richtet sich nach dem traditionellen Verständnis  der Halacha (jüdisches Religionsgesetz). In der Halacha wird der von Gott gewollte Lebensweg für die Juden beschrieben. Hiezu zählt beispielsweise die Ruhe am Schabbat, Befolgung der Speisegesetze, Rolle der Männer und Frauen, Geschlechtertrennung bei Gottesdiensten oder das nur heterosexuelle Männer Rabbiner werden können.


Liberales Judentum
Vereinzelt haben sich Einheitsgemeinen bei ihrer Wiedergründung oder zu einem späteren Zeitpunkt für den liberalen Ritus entschieden. Neben diesen haben sich in den 1990er- und 2000er-Jahren einige explizit liberale Gemeinden gegründet, sei es neben bereits vorhandenen orthodoxen Einheitsgemeinden oder an Orten ohne bestehende jüdische Gemeinde. Mittlerweile existieren 26  liberale Gemeinden in Deutschland und sind unter dem Dachverband der Union progressiver Juden zusammengeschlossen. Obwohl diese Gemeinschaften im Allgemeinen viel kleiner sind als Einheitsgemeinden und nur einen kleinen Teil des deutschen Judentums repräsentieren, wachsen einige liberale Gemeinschaften in Großstädten, während fast alle Einheitsgemeinden vor allem aufgrund der Überalterung stetig Mitglieder verlieren.

 

Männer und Frauen sind in allen religiösen Belangen im liberalen Judentum gleichberechtigt. Im Gottesdienst dürfen Männer und Frauen gemischt sitzen. Auch dürfen Frauen das Gebet leiten oder Rituale für andere Gemeindemitglieder ausführen. Während sich das liberale Judentum vor der Shoah häufig deutlich an der protestantischen Kirche orientierte, etwa in der Gestaltung von Gottesdiensten und sogar in der offiziellen Kleidung der Rabbiner, scheint das liberale Judentum in Deutschland heute unabhängiger und ist im Vergleich zu liberalen Gemeinden in den USA eher traditioneller orientiert. Die Hauptsprache des Gottesdienstes ist Hebräisch mit gewissen Anteilen der Landessprache. Das jüdische Religionsgesetz gilt als veränderlich und lediglich als Leitfaden.
Das deutsche liberale Judentum zeichnet sich durch eine überdurchschnittliche Beteiligung am jüdisch-christlichen Dialog aus, insbesondere am theologischen Dialog zwischen liberalen Rabbinern und christlichen Geistlichen.

 

 

Konservatives oder Masorti-Judentum
Das konservative/ Masorti-Judentum stammt insbesondere aus den USA. Dort war es ferner die größte Strömung des Judentums. Gegenwärtig ist die größte Strömung das liberale Judentum, gefolgt vom konservativem/ Masorti-Judentum. Unter „konservativ“ versteht man in diesem Sinne „bewahrend“.  Im Kern steht hierbei die Bewahrung der jüdischen  Traditionen und des gleichzeitigen Leben in der modernen Gesellschaft.“Masorti“ kommt aus dem hebräischen und wird mit „traditionell“  übersetzt. Insofern reiht sich das konservative Judentum zwischen dem orthodoxen und liberalen Judentum ein. Die Tradition und die Gesetze stehen auch hier im Vordergrund. Allerdings werden die Gesetze hier kritisch hinterfragt, insbesondere um die Gleichberechtigung der Frauen zu fördern, indem veraltete diskriminierende Annahmen beseitigt werden. Aus diesem Grund ist es im konservativen/ Masorti Judentum auch möglich, das Frauen Kantorinnen werden oder Männer, welche homosexuell sind, Rabbiner werden.

 


Quelle:

 

Bundeszentrale für politische Bildung, Religiöse Strömungen und jüdische Feiertage, online abrufbar unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/juedisches-leben-348/juedisches-leben-348/341640/religioese-stroemungen-und-juedische-feiertage/